Vor ein paar Tagen hat uns Frau Jacqueline van Maarsen ein Statement zu unserem Projekt geschickt. Wir fühlen uns sehr geehrt, dass Frau van Maarsen die Zeit gefunden hat, uns diese Zeilen zu schicken. Wir hatten über das Anne Frank Haus in Amsterdam Kontakt mit Jacqueline aufgenommen, wofür wir uns noch mal herzlich bedanken möchten.

Jacqueline van Maarsen und Anne Frank trafen sich das erste Mal am jüdischen Lyzeum im Jahre 1941. Sie wurden gleich Herzensfreundinnen und auch beste Freundinnen. Jacqueline wurde mehrfach in Anne Franks Buch erwähnt. So schrieb Anne in ihr Tagebuch: „Jacqueline van Maarsen ist jetzt meine beste Freundin“.

Anne Frank nannte sie liebevoll Jopie und widmete ihr einen Abschiedsbrief in ihrem berühmten Tagebuch. Diesen Brief hatte Anne schon am Tag des Untertauchens geschrieben. Da das versenden eines Briefes in dieser Situation sehr gefährlich gewesen wäre, durfte sie diesen nicht abschicken. Anne kopierte daher diesen Abschiedsbrief an Jacqueline in ihr Tagebuch.

 Am 25. September 1942 schreib Anne im Brief:

„Liebe Jacqueline, ich schreibe dir diesen Brief um von dir Abschied zu nehmen, das wird dich vermutlich verwundern, aber das Schicksal hat es nun einmal nicht anders bestimmt, ich muss weg (wie du inzwischen natürlich schon längst gehört hast) mit meiner Familie, den Grund wirst du schon selbst wissen.(…)“

Am Ende fügte Anne hoffnungsvoll hinzu: „Ich hoffe, dass wir – bis wir einander wiedersehen – immer beste Freundinnen bleiben.“

Als Anne 1942 plötzlich verschwand vermutete Jacqueline, dass die Familie Frank in die Schweiz zu Verwandten geflohen sei. Jacqueline erfuhr erst nach dem Krieg von der Existenz dieses Briefes. Anne Franks Vater Otto Frank überreichte Jacqueline eine Kopie des Briefs aus dem Tagebuch.

 

Jacqueline van Maarsen und ihre Schwester Christiane waren Halbjuden, da ihr Vater Jude und ihre Mutter Christin war. Laut der Nürnberger Rassengesetze wurden auch Halbjuden dann verfolgt und deportiert, wenn sie entweder mit einem Juden verheiratet waren oder in der jüdischen Gemeinde Mitglied waren und damit als „Geltungsjuden“ galten. Christiane und Jacqueline waren beide Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Amsterdam.  Dies war auf einem Meldebogen aus dem Jahre 1940 so angegeben worden.

Um die Kinder vor einer möglichen Deportation und dem Rassenwahn zu retten, musste dieser Vermerk rückgängig gemacht und entfernt werden. Dank Hans Calmeyer, an welchen sich Jacquelines Eltern wandten, wurde den van Maarsens bescheinigt, dass die Kinder römisch-katholisch erzogen wurden und damit als „nicht-jüdisch“ anzusehen waren. Hans Calmeyers Abteilung hatte die Aufgabe, in „rassischen Zweifelsfällen“ darüber zu entscheiden, ob jemand Jude war oder nicht. So entkam Jacqueline zum Glück einer möglichen Deportation und damit wahrscheinlich dem Tode, da Calmeyer auch keine weiteren Prüfungen anstrebte. Jacqueline erfuhr erst nach Jahrzenten, dass sie durch Calmeyer für christlich erklärt und damit gerettet wurde.

So überlebte sie den Holocaust, welchem über sechs Millionen Juden in ganz Europa durch Ausgrenzung, Entrechtung und letzten Endes Mord durch die Nationalsozialisten zum Opfer vielen.

Später setzte sich Jacqueline bis heute sehr stark für das Gedenken und gegen das Vergessen des Holocausts ein. Immer wieder tritt und trat sie zu gegebenen Veranstaltungen auf und berichtete von der furchtbaren Zeit unter dem NS-Regime und hält so die Erinnerungen an das Geschehene wach. So wurde sie für ihren nimmermüden Einsatz und für ihre Lesungen unter anderem mit dem Nordrhein-Westfälischen Landesverdienstorden ausgezeichnet.

Auch für unser Projekt hat sie uns ein Statement zugeschickt, welches wir gerne hier veröffentlichen:

“Vor Allem geht es darum, dass man über die Folgen von Rassismus nachdenkt.

In der Hoffnung, dass die Grausamkeiten, die damals gemacht wurden, in der Zukunft verhindert werden können!“

Jacqueline van Maarsen

 

 

© Jacqueline van Maarsen